Lecker und nett – die Likes der Mundfaulen

Plädoyer für ein mehr an Sprache im Genuss

Wie aussagekräftig ist eigentlich das Wort „lecker“ frage ich mich seit einiger Zeit. Ja klar, es bedeutet, dass es schmeckt, aber mehr? Lecker ist wie nett. Jemand ist nett. Eine nette Person. Ein nettes Gespräch. Nett gehört zu der Gruppe des Oberflächen-Lobs, genauso verhält es sich mit lecker. Lecker ist der Like des Genusslobs. Irgendwie leer.

Gegen die Mundfaulheit

Ich plädiere für mehr. Mehr Beschreibung, mehr Umschreibung. Gebt Euch gefälligst Mühe bei der Bewertung des Genuss. Oder auch des Gegenteils. Wie wäre es mit schmackhaft, wohlgefällig im Mund, spannend, vielseitig. Noch besser sind natürlich genauere Beschreibung. Wenn Ihr etwas lecker findet, was ist daran denn so lecker? Die ausgewogenen Aromen von salzig, süß, säuerlich, bitter, Umami? Und wie sind die Texturen? Beschreibt die Texturen. Kracht da etwas, ist etwas samtig weich oder knackig? Texturen und Aromen in Harmonie oder auch im Kontrast machen ja den perfekten Bissen aus.

Mehr Farbe ins Spiel bringen

Auch farbige Assoziationen sind fein. Neulich kostete ich Moringa Pulver. Also Algenpulver. Unglaublich grün, der Geschmack. Da springt direkt das Kopfkino an. Ich muss jedoch eingestehen, dass wiederum braun eher negativ assoziiert werden würde. Was ist mit rot? Rote Assoziationen sind Tomaten, Erdbeeren…hm. Es lohnt sich, auf der Farbgeschichte noch weiter rumzudenken.

Laut malen

Wie wäre es, mit Lauten zu spielen? Das Gericht ist laut. Es traut sich was, es arbeitet bewusst mit Kanten, klare Säuren zum Beispiel. Ein leises Gericht muss nicht unbedingt schlechter sein. Es kann harmonischer sein.

Der Körper

Schon länger treiben mich die Körper des Weines um. Wenn Weinfachmenschen vom „Körper“ sprechen, frage ich mich, welchen meinen sie? Ich habe mir angewöhnt, Körperteile zu nennen. Ein Riesling oder amerikanisches IPA hat einen Knackarsch, während ein Lambrusco eher vollbusig daherkommt bzw. ein belgisches Bier ein Wohlstandsbäuchlein hat.

Vergessbar

Abschließend natürlich noch ein paar Bemerkungen zu nicht so lecker schmeckendem Essen. Denn auch hier bedarf es einer gewollten Sprachlichkeit. Wie wäre es mit: gruselige Kombination, so gar keine Textur, geschmacksneutral, vergessbar, neutral in Geschmack und Textur, der Koch sollte sich dringlich verlieben, so salzlos war das Essen, grau, äußerst attraktiv für die Mülltonne…

Achtung: Ich plädiere nicht für nervige Adjektiv-Schlachten à la Feinschmecker, vielmehr für eine Bemühung von mehr Vokabeln. Und wenn dir kein Wort einfällt, erfinde eins.

Und, wie war Eure letzte kulinarische Erfahrung? Meine war geschmeidig knackig bunt und äußerst seelenbefriedigend: Eier, Lila-Kartoffeln, grüne Sauce und Salat.

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